…daran ändern auch die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Parteien nichts. Seit der Eröffnung der „Langen Sechsers“ befindet sich der Straßenbahnausbau in Graz im Dornröschenschlaf. Und statt eines Kusses gab es zum Erwachen eine „Ohrfeige“ für die Verantwortlichen: Die Grazerinnen und Grazer fahren wieder vermehrt mit dem eigenen PKW und reagieren somit auf den Stillstand beim ÖV. Über 46% aller Wege werden mit dem Auto zurückgelegt; vor allem Eltern scheinen ihren Sprösslingen die schlechte Luft und das Verkehrschaos in Graz nicht mehr zumuten zu wollen und fungieren vermehrt als „Elterntaxis“.
Wo kein Wille…
Das fehlende Geld erscheint als Ausrede für die Stagnation beim öffentlichen Verkehr nicht mehr glaubwürdig. Gerade Beschleunigungsmaßnahmen im bestehenden Netz erfordern selten große Geldsummen, sondern lediglich einen entsprechenden politischen Willen. Auch die konsequente Bevorrangung des ÖV an Kreuzungen wird in Graz derzeit massiv vernachlässigt. An zahlreichen Stellen zeigen sich sogar auffallende Verschlechterungen. Ein Zufall?
Wem gehört der Platz?
Dass eine Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs auch zusätzliche Verkehrsflächen benötigt, weiß theoretisch jeder. Praktisch haben die politisch Verantwortlichen nach wie vor zu viel Angst vor Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs, sodass die Schaffung von unabhängigen ÖV-Trassen, großzügigeren Radwegen usw. meist von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Und somit stehen Busse und Straßenbahnen weiterhin im Stau.
Südgürtel, Gondel und verkehrspolitische Prioritäten
Schon mehrmals hat Pro Bim kritisiert, dass der Südgürtel – ein Projekt, das ebenfalls über Jahrzehnte verschleppt wurde und inzwischen weder zeitgemäß noch wirtschaftlich sinnvoll ist – nun doch mit vereinten Kräften von Stadt und Land umgesetzt wird, wohingegen alle wichtigen Straßenbahnausbauten (Südwestlinie, Nordwestlinie, Innenstadtumfahrung, Reininghaus-Anbindung, Uni-Anbindung, smartCity…) de facto auf Eis liegen. Dasselbe gilt für längere Straßenbahnfahrzeuge zur Kapazitätserweiterung.
Und dann wäre da noch die Holding-Graz-Vorstandsetage, die sich ebenfalls kaum für Verbesserungen im Straßenbahnnetz zu interessieren scheint. Stattdessen träumt man von Gondellinien oder Elektroautos, die alle Verkehrsprobleme lösen sollen. Oder doch nicht? Aber das wäre dann ja schon eine Angelegenheit für künftige Regierungen und Vorstände.
Ein Kampf gegen Windmühlen
Seit über einem Jahr kämpft Pro Bim dafür, dass dem Straßenbahnausbau in Graz wieder hohe Priorität eingeräumt wird. Unsere Ideen und Vorschläge wurden zwar interessiert entgegengenommen, allerdings fehlen zur Umsetzung entweder Personal, Geld oder eben der Wille und das Interesse der politisch Verantwortlichen, wirklich nachhaltige Lösungen zu forcieren.
Hier nochmals eine Auswahl der wichtigsten Forderungen und Vorschläge von Pro Bim. Nichts davon ist neu, aber auch nichts wurde bis dato umgesetzt!
- Straßenbahnausbau – mehr Platz für die Bim (eigene Trassen!) – weniger für den Individualverkehr. Der Platzverbrauch des MIV ist unverhältnismäßig hoch und die Nutzung des Platzes ineffektiv.
- rigorose Bevorzugung des ÖV bei Ampeln, anstatt populistischer „Grüne-Welle-Parolen“ und minimaler Verbesserungen für den Individualverkehr, die sich negativ auf den ÖV auswirken.
- höhere Parkgebühren: Auf die jährliche Erhöhung der ÖV-Tarife ist Verlass. Auch die Parkgebühren sollten jährlich angepasst und zweckgebunden dem ÖV zugeführt werden.
- Stellplatzabgaben für private Parkplätze (Firmen, Einkaufszentren). Derartige Verursacherabgaben sind durchaus legitim und könnten ebenfalls zweckgebunden verwendet werden, um z.B. alle EKZ mit Straßenbahn-Anschlüssen auszustatten.
- Verbilligung des ÖV durch oben genannte Einnahmen. Viele Menschen nennen die hohen Preise als Grund, warum sie keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.
- Nahverkehrsabgabe
- Citymaut für das gesamte belastete Gebiet (nicht nur für das Stadtzentrum). An den Grenzen des mautpflichtigen Bereiches P&R-Anlagen mit Schienenanschluss.
DOWNLOAD: PA-Modal_Split