Straßenbahn-Ausbau statt „Traumgondelei“
Die Grazer ÖVP versucht, die Murgondel mit fragwürdigen Zahlen der Bevölkerung schmackhaft zu machen.
Anstatt sich um die schnelle Realisierung der bereits in der Detailplanung befindlichen Südwestlinie zu bemühen, hält der Bürgermeister weiterhin verbissen an seiner Murgondel-Idee fest. Gegenüber den beiden größten Grazer Tageszeitungen wurde das Projekt nun mit fragwürdigen Zahlen schöngeredet und als möglicher Gegenstand der nächsten Bürgerbefragung in Erwägung gezogen. Pro Bim Graz möchte im Vorfeld der Befragung diese Zahlen vehement hinterfragen.
„Mit einer Seilbahn könnten 4000 Personen die Strecke Puntigam – Keplerbrücke in einer Stunde nutzen, während die Straßenbahn 1000 Personen schafft. Und auch die Fahrzeit wäre mit 11 Minuten deutlich kürzer.“ (GR Thomas Rajakovics in der „Kleinen Zeitung“, 9.6.2013)
Gemäß der Angabe des Seilbahnherstellers Doppelmayr liegt die Maximalgeschwindigkeit kuppelbarer Gondelbahnen bei 6 m/s (=21,6 km/h). Die geplante Strecke von der Puntigamer Brücke zur Keplerbrücke (6,2 km) wäre damit schon ohne Zwischenhalte in bestenfalls 17 Minuten – statt der behaupteten 11 – zurückzulegen. Bei jeder der sieben geplanten Stationen geht freilich etwas Zeit verloren, sodass eine Gesamtfahrzeit über 20 Minuten realistisch erscheint. Die Straßenbahn benötigt derzeit für die Strecke Puntigam – Keplerbrücke 24 Minuten (inkl. aller Stationsaufenthalte) und fährt mit der Endstation (NVK Puntigam) einen wichtigen Verkehrsknoten an, während die Seilbahn faktisch im Nirwana endet.
Die Kapazität einer Standard-Gondelbahn wird von Doppelmayr mit 1500 Personen pro Stunde und Richtung angegeben, was etwa der Kapazität einer Buslinie entspricht. Eine moderne Straßenbahnlinie mit adäquatem Fahrzeugmaterial hat hingegen eine beachtliche Kapazität vom bis zu 12.000 Personen pro Stunde und Richtung. So eine Beförderungsleistung könnte man in Graz durch den Einbau zusätzlicher Module in die vorhandenen Fahrzeuge problemlos und vergleichsweise kostengünstig erreichen.
Auch die Behauptung, dass Straßenbahnen das Vierfache der Murgondel kosten, ist nicht nachvollziehbar. Für die gesamte Südwestlinie im Abschnitt Jakominiplatz – Hummelkaserne, inklusive der zweiten Schienenachse werden knapp 100 Mio. Euro prognostiziert. Die Murgondel soll alleine im Abschnitt Puntigam – Keplerbrücke nach derzeitigen Berechnungen 93 Mio. kosten. Hierbei ist die wichtige Anbindung von Don Bosco und Reininghaus noch nicht eingerechnet.
Nebenbei sei noch bemerkt, dass die Murgondel weder den vor wenigen Jahren eröffneten Nahverkehrsknoten Puntigam, noch den Jakominiplatz als wichtigsten Umsteigepunkt in Graz anfahren wird. Der Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln des Stadt- und Regionalverkehrs ist also äußerst mangelhaft. Folgekosten für die Adaptierung des ÖV Netzes an die Gondel sind ebenfalls nicht einkalkuliert.
Weitere offene Punkte aus unserer Sicht sind:
– Jährliche Revisionen (einige Wochen betriebsfrei → siehe Schöckel-Seilbahn) – welches Verkehrsmittel soll die Gondel während der Revisionszeit ersetzen?
– Wie wird für Sauberkeit und Sicherheit gesorgt? Die Gondeln sind ja fahrerlos unterwegs!
– Ist die Murgondel mit dem historischen Stadtbild und dem UNESCO-Weltkulturerbestatus des Grazer Zentrums vereinbar?
– Wie soll der Hauptbahnhof eingebunden werden? Die neue Nahverkehrsdrehscheibe ist definitiv nicht für eine Gondelbahn vorbereitet.
Pro Bim Graz fordert die Stadtregierung nochmals auf, an der Straßenbahn als bewährtem Verkehrsmittel festzuhalten, den Ausbau voranzutreiben und dahingehende Gespräche mit dem Land bzw. den Umlandgemeinden zu suchen. Es dürfen nicht noch weitere Jahre und Steuergelder für wenig zielführende Machbarkeitsstudien verschwendet werden!
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Kompacher